Gute Lehre hat seit jeher etwas mit Wissen, Persönlichkeit, Rhetorik, pädagogischer Kompetenz, aber auch didaktischer Methodenvielfalt zu tun. Mit der Digitalisierung konnten der klassischen Präsenzlehre und dem Fernstudiengang mit Lehrbriefen zum Selbststudium neue Online-Vermittlungsformen in E-Learning und Videokonferenzen, sogenannten virtuellen Klassenräumen, hinzugefügt werden.

Die digitalen Ausdrucks- und Vermittlungsformen haben dabei selbstverständlich andere didaktische Wirkungen und dementsprechend differenzierte Anwendungsgebiete. Sie haben Vorteile in der lebendigen Darstellung eines Medienmixes durch Videos, Podcasts und Einstellungsmöglichkeiten durch den Nutzer; gegenüber der klassischen Präsenzlehre mit den Möglichkeiten zur Einübung von praktischen Fertigkeiten, sozialen, kommunikativen und anderen Schlüsselkompetenzen sind Onlinevermittlungsformen weniger geeignet.

Unter Abwägung von Vor- und Nachteilen hat die pädagogische Wissenschaft seit etwa 25 Jahren den Begriff des Blended Learning geprägt, in dem es um eine differenzierte Mischung verschiedener klassischer und digitaler Vermittlungsformen geht.

Mit der Pandemie haben Online-Medien auch für die Lehre eine bis dahin ungeahnte Popularität erreicht: Zahlreiche E-Learning-Plattformen für asynchrones Lernen sind entstanden und auch – zunächst als Notbehelf – sogenannte virtuelle Klassenzimmer für Kontaktunterricht mit simultaner Anwesenheit von Dozent und Lernenden, die im Grunde eine Erweiterung von normalen Videokonferenzen darstellen. Wie aber auch bei in der Pandemie teilweise online durchgeführten Messen und Kongressen festzustellen war, bieten diese ebenso wie für die Lehre die virtuellen Klassenzimmer keinen vollwertigen Ersatz zu echten physischen Zusammenkünften.

Mit dem in der Folge entstandenen paradoxen Begriff der „Online-Präsenz“ ist dann die Verwirrung entstanden, wobei eine online vermittelte simultane Unterrichtsform gemeint ist, die aber mit sozialer Präsenz nichts zu tun hat. Den Begriff „Online-Präsenz“ kann es somit systematisch nicht geben: Entweder ist die Veranstaltung in Präsenz an einem Kongressort oder sie ist online.

Logisch gibt es zwei Lernformen, die sich didaktisch für unterschiedliche Themen und Kompetenzen sowie im Learning Outcome unterscheiden und deswegen klar zu differenzieren sind:

  1. Präsenzunterricht, der ausschließlich die physische Anwesenheit an einem Kongressort (lat. congressus = Zusammenkunft), also in einem realen Schulungsraum, erfordert, um praktische Fertigkeiten, soziale Kompetenzen etc. einzuüben. Virtuelle Räume sind logischerweise ausgeschlossen.
  2. Onlineunterricht, der sich aufgliedert in
    1. Simultanunterricht bzw. Kontaktunterricht Face-to-face mit synchroner Anwesenheit des Dozenten und der Lernenden in einem virtuellen Raum, für den die unten genannten Qualitätskriterien – wie die durchgehende Anwesenheit der Teilnehmenden bei eingeschaltetem Video, die Möglichkeit zu Break-Out-Sessions, Lernzielkontrollen etc. – von Bildungsträgern mit Qualitätsanspruch selbstverständlich eingehalten werden;
    2. asynchrones E-Learning mit vorgefertigten Lernmodulen aus Mediatheken, bei denen kein Dozent mehr anwesend ist.

Im Bereich der Fort- und Weiterbildung für Pflegeberufe werden neben der Wissensvermittlung zahlreiche praktische Fertigkeiten sowie soziale und kommunikative Schlüsselkompetenzen benötigt, die ausschließlich im Präsenzunterricht effektiv geschult werden können. Dies haben der Gesetzgeber, die Gesundheitsselbstverwaltung sowie viele Verbände erkannt und in Weiterbildungsordnungen und ähnlichen Regelwerken verbindliche Quoten zur Zulässigkeit von Präsenz- bzw. Onlineunterricht festgelegt.

Wird dort beispielsweise eine Quote von mindestens 50 % Präsenzunterricht vorgegeben, so trägt dies dem wichtigen Erwerb praktischer Handlungskompetenzen in Pflegeberufen Rechnung.

Erst darüber hinaus – und nur für den verbleibenden Lehranteil – ist Onlineunterricht zulässig, wobei zwischen den Formen 2.1 und 2.2 zu unterscheiden ist. Auch hier empfiehlt sich eine quantitative Aufteilung von 2.1 und 2.2, um zu vermeiden, dass Anbieter, die weniger an kompetenzorientierter Lehre interessiert sind, aus Kostengründen vollständig auf asynchrones E-Learning umstellen. Für die Fortbildung von Praxisanleitenden hat beispielsweise das Land Nordrhein-Westfalen bereits hilfreiche Definitionen hierzu bereitgestellt.

Die IGBP plädiert daher dafür, die durch den missbräuchlich verwendeten Begriff „Online-Präsenz“ entstandene, inhaltlich eigentlich eindeutige Diskussion endlich durch eine formale Klarstellung zu beenden. Dies ist auch deshalb wichtig, damit Bildungsträger ihre curricularen Planungen verlässlich gestalten können und Leistungserbringer bzw. Pflegedienste sich auf die Gültigkeit der Qualifikationsnachweise ihrer Mitarbeitenden verlassen können – ohne haftungs- oder leistungsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen, nur weil die Unterrichtsform nicht korrekt eingehalten wurde.

Weitere Informationen zur Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und Praxisanforderungen im digitalen Zeitalter.