Generell ist in Pflegeberufen seit einigen Jahren eine Spirale der Deprofessionalisierung erkennbar. Dies hat mehrere Ursachen und ist durch verschiedene berufspolitische Fehlentscheidungen noch verstärkt worden. Pflegeberufe in Deutschland sind damit international nicht mehr anschlussfähig, erhalten außer einem inzwischen guten Gehalt keine ideelle Wertschätzung und Kompetenzzuweisungen, die selten über Grundversorgung hinausgehen. Somit verwundert es nicht, wenn steigende Fluktuation und Fachkräftemangel zum täglichen Problem geworden sind.

Dies gilt auch für den Bereich der außerklinischen Intensivpflege, wo nach den erst 2023 durch die Bundesrahmenempfehlung zu §132l SGB V erhöhten Qualitätsstandards und strengere Qualifikationsvorgaben die Anforderungen an die Zusatzqualifikation erheblich gestiegen sind und eigentlich in diesem sehr eigenständig agierenden Aufgabenfeld ein hohes Maß an Verantwortungsbereitschaft vorhanden sein muss.

Gerade deshalb ist in diesem Bereich eine verlässliche und kompetenzorientierte Weiterbildung eine entscheidende Grundlage für die Berufsausübung, die auch der Patientensicherheit und der Gewährleistung einer hohen Leistungsqualität dient. Leider spiegelt sich das in der Praxis von Weiterbildungen oft nicht wider und es sind zahlreiche Umgehungsstrategien für die geforderten Mindeststandards zu beobachten:

  • eine Weiterbildungsordnung durch den Gesetzgeber oder Kammern gibt es nicht.
  • mit der Bundesrahmenempfehlung wurden zwar klare Qualifikationsziele vorgegeben, aber die sonst detailliert prüfenden medizinischen Dienste / Krankenkassen sehen derzeit keine Zuständigkeit, die Kompetenzorientierung von Weiterbildungen zu hinterfragen.
  • Fachwissen und Kompetenzen in spezialisierten Bereichen, wie pädiatrischer Pflege, werden in immer geringerem Umfang ausgebildet. Die Evaluation der Generalistik wird hier erweisen, dass das Qualifikationsniveau gegenüber der früher spezialisierten Ausbildung als Kinderkrankenpfleger/in deutlich geringer ist und auf Kinder spezialisierte Pflegedienste vor der Aufgabe stehen, ihre Mitarbeiter in basalen Kenntnissen nachschulen zu müssen.
  • Fachgesellschaftliche Zertifizierungen beschränken sich oft auf reine Formalien und besitzen keine eigene Qualitätsprüfung, um Zeugnis abzulegen über den Kompetenzerwerb oder die Qualität zu gewährleisten.
  • Viele Pflegedienste machen sich ihre Zusatzqualifikationen, begünstigt durch auf Selbstauskunft beruhende Blindzertifikate von Fachgesellschaften, kostengünstig selbst.
  • Verbände ermutigen anstelle der in Pflegeberufen sinnvollen und notwendigen Praxisunterweisung im Präsenzunterricht, alles schnell und billig online erledigen zu lassen.

Für qualitätsbewusste Pflegefachkräfte und Pflegedienste steht außer Frage, dass solcher Wildwuchs an oft selbstreferenziellen Bildungsstrukturen mit fragwürdigen didaktischen Methoden zu einer riskanten Abwärtsspirale mit inkompetenten Mitarbeitern und gefährlicher Pflege werden kann - ganz abgesehen davon, dass dies nicht doch irgendwann zum Opfer von reformierter Qualitätsprüfung machen kann.

Nur wenige Bildungs-Träger verpflichten sich auf einen garantierten Bildungs-Standard, für den sie mit Qualitätsmanagement und Prüfungswesen einstehen. Dabei sollte eigentlich die Gewährleistung einer verlässlichen Qualifizierung in Pflegeberufen zur spezialisierten Berufszulassung und Sicherstellung des Personalbedarfs mit verlässlicher Versorgungsqualität selbstverständlich sein. Diese hat zu beinhalten:

  • eine kompetenzorientierte Programmierung / Lehrplanung auf das Qualifizierungsziel im konkreten Berufsfeld,
  • die Schaffung unabhängiger akademischer Bildungsstrukturen, die mit ihren Curricula, Didaktik und Prüfungsordnung den Qualifikationszielen verpflichtet sind,
  • die Gewährleistung der Rechtssicherheit von Abschlüssen und Qualitätshaftung.

Grundlage hierzu ist eine Institutionalisierung der Weiterbildung im sub-universitären Bereich mit Bereinigung von selbstreferenziellen Bildungsformaten und Zertifizierungen und Gewährleistung der institutionellen Leistungsfähigkeit von Akademien / Weiterbildungs-Trägern in akademisch gesicherter Lehre zur Erreichung der Qualifikationsziele (EQR und Pflegemarkt) mit 
a. Sicherstellung von didaktischer Vielfalt im Blended Learning (50% Präsenz – 50% online: synchron / E-Learning) und 
b. unabhängigen Prüfungsstrukturen und Qualitätsevaluation, ggf. mit Drittkontrolle.

Eine Qualitätsüberprüfung von Qualitäts-Standards für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen bzw. Bildungsstätten ist keine Aufgabe der GKV. Und der medizinische Dienst beschränkt sich derzeit (!) auf Formalkriterien und kann im Rahmen seiner QPR keine Prüfung von fragwürdigen Bescheinigungen auf eine kompetenzorientierte Ausbildung vornehmen. Um diese „Kümmer-Lücke“ für diesen erkannten Missstand zu beheben, wird eine Institutionelle Akkreditierung leistungsfähiger Bildungs-Träger nach bewährtes Vorbild von Hochschulen vorgeschlagen: 

  • mit unabhängigen Wissenschaftlern pflegewissenschaftlicher Institute, Kostenträger und Pflegekammern in Akkreditierungskommissionen, 
  • wissenschaftlichen Bildungs-Standards und Bewertungskriterien,
  • Kompetenzorientiertem Aufbau eigener Curricula und Sicherstellung einer leistungsfähigen Prüfungsordnung,
  • Erfüllung von Qualifikationszielen für bundesweit gültigen Bildungsabschluss,
  • Didaktische Methoden zur wissenschaftlichen Sicherung des Learning-Outcomes,
  • Gewährleistung institutionelle Befähigung mit konzeptionellen und personellen Kompetenzen, formale und organisatorische Sicherstellung der Lehre,
  • Neutralität und Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Lehre auch im subuniversitären Sektor.

Darüber diskutierten im Rahmen des KAI-Kongresses am 11.09.2024:

  • Rechtsanwalt Michael Helbig, Fachanwalt im Sozialrecht, Schwerpunkt leistungsträgerbezogenes Kranken- und Pflegeversicherungsrecht
  • Madita Daugs, QM-Managerin in der außerklinischen Intensivpflege
  • Angela Bertling, Leiterin der Linimed-Akademie
  • Prof. Dr. Wolfram Schottler, Vorsitzender der IGBP sowie Vorstand im IPV, Geschäftsführer der Akademien BaWiG und Curademic
  • Lukas Sander, Chefredakteur Vincentz-Verlag