Kritische Analyse zum Entwurf eines neuen Curriculums „Basiskurs für außerklinische Beatmung“
Vorwort
Die Außerklinische Intensivpflege befindet sich seit Jahren in einer intensiven Diskussion um Versorgungsqualität, Qualifikation, gesetzliche Richtlinien und rechtliche Rahmenbedingungen. Wenig wird dabei um pflegefachliche Kompetenz geredet, aber immer wieder wird an den Weiterbildungsbestimmungen gearbeitet. Hier hat sich ein sehr heterogenes Wettbewerbsfeld mit zahlreichen inkonsistenten Regelungen und Zertifikaten entwickelt. Das von mehreren Fachgesellschaften nun vorgelegte Update des Curriculums für den Basiskurs ist hier ein sinnvoller Schritt, wenngleich leider unausgegoren und zu kurz gesprungen.
Somit offenbart die diese kritische Rezension in einigen wesentlichen Punkten eine Kontroverse, die vermutlich nicht jedem gefallen wird. Jedoch ist sie ein dringend notwendiger Qualifikationsprozess und wissenschaftlich geboten, um endlich mit der Herausbildung einer besser qualifizierten Fachpflege dem Berufsfeld der Außerklinischen Intensivpflege und einer gesicherten Patientenversorgung eine nachhaltige professionelle Perspektive zu entwickeln. Zur Überwindung des gegenwärtigen Wildwuchses bedarf es endlich einer akademischen Weiterbildungsstruktur. Dieser Anspruch liegt auch im zentralen Interesse der Leistungserbringer und Kostenträger.
Hintergrund
Die Bundesrahmenempfehlung für die Häusliche Krankenpflege gemäß § 132a Abs. 1 SGB V gibt für die Weiterbildung der Pflegekräfte im Bereich der Außerklinischen Intensivpflege verbindliche Regelungen vor. Diese sind gegliedert in einen Basiskurs für die grundlegende Kompetenzvermittlung für Pflegefachkräfte und einen Expertenkurs für die Befähigung zur verantwortlichen Pflegefachkraft.
Mit dem IPReG kommt der kompetenzorientierten Weiterbildung von Pflegefachkräften eine neue Bedeutung zu, die praktisch den Charakter einer Berufszulassung erhält, denn die Anerkennung von Leistungserbringung in der Außerklinische Intensivpflege hängt von der erfolgreichen Absolvierung entsprechender Weiterbildungen ab. Diese Weiterbildungen sind also keine freiwillige Kompetenzerhöhung mehr, sondern eine grundlegende Voraussetzung für die Berufsausübung und Berechtigung zur Abrechnung der Pflegeleistung mit den Kostenträgern.
Mit dem jüngsten Beschluss des G-BA zur Erweiterung der HKP-Richtlinie, dass qualifizierte Pflegefachkräfte in der häuslichen Krankenpflege künftig mehr Verantwortung tragen und bei bestimmten medizinischen Maßnahmen eigenständig entscheiden dürfen, kommt der Frage nach der angemessenen Weiterbildung und ihrer Qualität noch verstärkt Bedeutung zu. Unter diesen Voraussetzungen bedarf es notwendigerweise für die Weiterbildung zur Pflegefachkraft in der Außerklinischen Intensivpflege einer gesetzlichen Regelung vergleichbar dem Pflegeberufegesetz.
Systematisches Weiterbildungskonzept fehlt
Während die pflegerische Ausbildung sowie auch die pflegewissenschaftliche Hochschulbildung in Zulassung bzw. Akkreditierung genau geregelt sind, gibt es für den Bereich der Weiterbildung nur ansatzweise strukturierte Vorgaben: Für die Weiterbildung für Anästhesie- und Intensivpflege bestehen klare Bildungsanforderungen, aber im Bereich der außerklinischen Intensivpflege gibt es nur freiwillige Verpflichtungen und inhomogene Empfehlungen und Qualitätsmerkmale. Dies führte zu einer Entwicklung, in die private Fachgesellschaften mit Zertifizierungen Orientierung anboten, was jedoch zu einem wirren Wettbewerb führte. Heterogene Zertifizierungsregelungen erschienen willkürlich und waren wohl auch durch privatwirtschaftliche Interessen geprägt. In der praktischen Durchführung ergeben sich auch zahlreiche Probleme mit der Interpretation von inhaltlichen und formalen Vorgaben aus der Bundesrahmenempfehlung. Durchaus angesehene Fachgesellschaften haben Leistungserbringern Zertifikate ausgestellt, die systematisch gegen die Vorgaben der Bundesrahmenempfehlung und anderen Leitlinien verstießen und somit eigentlich ungültig sind.
Auch bei Kassenverträgen mit Leistungsanbietern bestehen große Unterschiede, und zwar zwischen den Bundesländern sowie zwischen den Kassen. In diesem Wildwuchs, bei dem u.a. zahlreiche Ich-AG und Kleinstanbieter Qualitätssicherung unreflektiert nur in der Vertragserfüllung gegenüber Fachgesellschaften sahen, wurde eine berufsfeldorientierte Professionalisierung des Weiterbildungssektors bislang verhindert. Hinzu kam, dass sich in einem ungesunden Wettbewerb um das lukrative Geschäft mit den Zertifikaten auch Pflegedienste und Krankenhäuser durch Fachgesellschaften zertifizieren lassen konnten, was bedeutete, dass die Leistungsanbieter quasi eine fachgesellschaftliche Ermächtigung zur Selbsttestierung erhielten. Ambitionierte Qualitätsschulen wurden in Unselbständigkeit und einen unseriösen Preiskampf gedrängt. Das aktuelle Zertifizierungssystem entspricht also in mehrfacher Hinsicht keinerlei akademischen Ansprüchen.
Dadurch besteht im gegenwärtigen Zertifizierungssystem für die Außerklinische Intensivpflege werden keine akademischen Strukturen ermöglicht, Weiterbildungen sind zu sehr auf formale Kriterien wie die Absolvierung von Stunden, Präsenzen oder Praktika versteift, und es besteht keinerlei kompetenzorientierter Anspruch an den Nachweis bestimmter Lernziele, also die Durchsetzung eines gesicherten Learning Outcome. Folglich sind die Weiterbildungsergebnisse sehr unterschiedlich und erstrecken sich allzu oft ausschließlich auf einfachste formale Pflichterfüllung. Dies geht letztlich zu Lasten der Bildungsqualität der Fachkräfte und schadet erkennbar auch der Versorgungsqualität sowie dem Berufsbild.
Wie das derzeitige System nicht geeignet ist, bundeseinheitlich nach allgemeinen berufsfeldorientierten und wissenschaftlich-didaktischen Standards den gewünschten Learning Outcome für die Gewährleistung der Bedingungen eine Berufszulassung zu erfüllen ergibt eine seriöse Bewertung der Situation zwangsläufig die Forderung nach einer mit wissenschaftlich-didaktischen Kriterien strukturierten Neuregelung für Weiterbildung in den verschiedenen Spezialbereichen. Diskussionen laufen, bewegen sich aber vielfach auf informeller Ebene und ohne qualitativ ernstzunehmende Empfehlung an die Bundesrahmenempfehlung.
Diese sollte die Entwicklung eines entsprechenden Rahmenlehrplans mit inhaltlichen Lernzielen für spezialisierte Weiterbildungen, hier die Außerklinische Intensivpflege, vorgeben, der dann mit einer akademisch institutionalisierten Akademielandschaft, die es in Ansätzen durchaus gibt, kompetenz- und lernzielorientiert in der Lehre umgesetzt wird.
Curriculare Weiterentwicklung zu differenzieren
In einer vermutlich vergleichbaren Betrachtung der Ausgangslage haben sich einige für die Außerklinische Intensivpflege spezialisierte Fachgesellschaften zusammengeschlossen und im Juli 2022 als Arbeitsgemeinschaft einen Entwurf für ein Update zum bestehenden Curriculum zunächst für den Basiskurs vorgelegt. Auch wenn dies noch nicht die Anforderungen an einen Rahmenlehrplan erfüllt, gibt es bemerkenswerte fachinhaltliche Aspekte:
- Als überfällig anzusehen war die inhaltliche Erweiterung pflegewissenschaftlich gesicherter Lehrthemen um zusätzliche fachliche Kenntnisse im Kernbereich der Beatmungspflege, in verschiedenen ergänzenden Kompetenzfeldern und Schlüsselkompetenzen, wie sie in verschiedenen rechtlichen Vorgaben, Richtlinien und Qualitätsempfehlungen, u.a. durch die bereits gültige Bundesrahmenempfehlung bereits vorgesehen sind. Ein Verdienst des curricularen Updates ist nun die Zusammenfassung in einem Lernziele-Korridor.
- Unbedingt erforderlich war auch die verbindliche Einführung von bisher nur freiwillig von einigen Akademien durchgeführten Kompetenzprüfungen (z.B. mit Klausuren, Hausarbeiten, Präsentationen).
- Positiv sind zudem die Empfehlungen zur Öffnung der didaktischen Möglichkeiten des Unterrichts auf der Grundlage von Lernzielen gemäß anerkannten Leitlinien und Expertenstandards. Jedoch ist dies unvollständig, noch nicht auf ein fachpflegerisch ausgerichtetes Kompetenzziel ausgerichtet und es fehlt die notwendige systematische Vertiefung in Form von konkreten Modulbeschreibungen für die Lehrveranstaltungen.
- Zeitgemäß ist die Aufnahme von Blended Learning für spezifische Vertiefungsphasen in vorrangig theoretischen Feldern. Jedoch ist dabei leider kein persönlicher Online-Unterricht mit unterweisendem Dozentenkontakt gemeint, sondern eine unspezifische Öffnung für asynchrone Lernmanagementsysteme. Dies ist deshalb problematisch, weil damit der direkte Unterricht mit Dialog und Reflexion reduziert wird und im Markt ein Fehlanreiz für unkontrollierbar skalierte Billigangebote gegeben wird, die ohne nachweisbare Lerneffekte zur formalen Erfüllung Alibicharakter haben werden.
- Im Grundsatz zu befürworten ist auch die differenziertere Herangehensweise an die bisher nahezu nur auf Anwesenheitskontrolle ausgelegte Praktikumsorganisation, deren Effektivität in der Realität oft zu wünschen ließ. Allerdings sind große Zweifel an der empfohlenen Alternative in Form von Selbstlernphasen angebracht: hier fehlt die Definition von konkreten Learning Outcomes, so dass eine Effektivität der Selbstlernphasen angesichts des Lernverhaltens der Zielgruppen nicht gegeben sein dürfte. Hier besteht die Gefahr, dass diese Selbstlernphasen, ebenso wie die asynchronen E-Learning-Einheiten, zum formalen Alibi für das ungeliebte klinische Praktikum werden. Didaktisch wertvoller, wenngleich in der akademischen Durchführung aufwendiger wären differenzierte Praxis-Transfer-Phasen mit Mentoring und Reflexionsphasen zu Praxistrainings, Tagesablaufplanungen für Fallbeispiele und Simulationsübungen z.B. in Skillslabs; diese aber lässt der Entwurf der Fachgesellschaften vermissen.
Systemfehler nicht wiederholen
Insgesamt erscheint der curriculare Entwurf mit heißer Nadel gestrickt und daher noch inkonsistent:
- Dem rein fachinhaltlich aus der S2k-Leitline der DGP und anderen Vorgaben entnommenen Entwurf liegt kein substanzielles Konzept zur Definition einer wirklichen „Fachpflege“ mit einem zur berufszulassenden Bedeutung der Weiterbildung passenden eigenständigen Berufs- und Kompetenzverständnis vor. Der Entwurf erfüllt auch keine wissenschaftlich-akademischen Kriterien einer qualifizierten Weiterbildung zur Fachpflegekraft vergleichbar der Fachweiterbildung für Anästhesie- und Intensivpflege.
- Bezug genommen wird auch auf Dokumente und Richtlinien, die vollkommen auf die ärztliche Tätigkeit ausgerichtet ist und für eine Beschreibung von Fachpflegerischen Aufgaben und Qualifikationsanforderungen keine professionellen Anhaltspunkte geben, also im vorliegenden Kontext zur Definition pflegewissenschaftlicher Kompetenzen nahezu ungeeignet ist. Dem Konzept liegt demnach wieder kein Verständnis einer eigenständigen Fachpflege zugrunde und dementsprechend wirkt es zusammengestückelt aus den verschiedenen Regelungswerken und Vorgaben, die jedoch andere Zielsetzungen beinhalten.
- Für eine umfängliche Berücksichtigung in den Beratungen zur Bundesrahmenempfehlung fehlt auch die gedankliche Erweiterung auf den Expertenkurs, der zur verantwortlichen Pflegefachkraft in der außerklinischen Intensivpflege qualifiziert.
- Geradezu fatal wäre aber, wenn sich über einige fachinhaltliche Updates hinaus nichts an den strukturellen Defiziten der Weiterbildungsorganisation für den Bereich der Außerklinischen Intensivpflege änderte, wie es der curriculare Entwurf leider erkennen lässt, dass die dysfunktionalen Regelungen des Status quo ante zementiert würden.
Dies liegt insbesondere an drei Grundproblemen:
- Die vorgelegten fachinhaltlichen Empfehlungen zeigen noch keinen klar nach einem definierten Aufgabenfeld ausgerichteten Learning Outcome für die beruflichen Kompetenzanforderungen in den einzelnen Modulen auf, der einem Rahmenlehrplan entsprechen würde, an dem sich dann Akademien und leistungsfähige Bildungsinstitute orientieren müssen.
- Die Empfehlungen verharren weiter in formalen Vorgaben der kleinteilig starren Stundenplan-Erfüllung mit nicht nachvollziehbarer Einengung der Durchführungsregeln für nur bestimmte Dozenten mit vielfach nicht nachvollziehbaren Qualifikationsanforderungen; hier fallen etliche irrationale Vorgaben besonders bei den Personalzulassungen auf; erwähnt sei etwa, warum beispielsweise approbierte Ärzte in Weiterbildung von der Lehre ausgeschlossen werden? Vermutlich wurde dabei unreflektiert die Verordnungsvorgabe der AKI-Richtline kopiert, was jedoch nichts über die Fähigkeit besagt, Pflegefachkräfte etwa in Physiologie zu unterrichten.
- Mit dem vorgeschlagenen Verfahren der Zertifikatausstellung von nach unklaren Kriterien für die Schulung ermächtigten „Bildungsanbietern“ wird weiter nicht den Anforderungen einer professionellen Qualitätssicherung und Akkreditierung nach wissenschaftlichen und akademischen Kriterien genügt. Nach bisherigem Verfahren ermächtigt ein privatwirtschaftlicher Vertrag des Verbands oder Vereins einen Bildungsanbieter, mit deren Namen Kurse anzubieten, die nach Erfüllung aller vertraglichen Regeln zertifiziert werden. Dafür entrichtet der Kursanbieter Gebühren für jeden Teilnehmer. Dieser privatwirtschaftliche Zertifizierungsvertrag erinnert an eine Art Franchising mit Zertifikaten, das aber zu zwei fundamentalen Fehlentwicklungen führt:
- besteht für die Zertifizierungsstelle ein Anreiz zur Geschäftsausweitung, indem z.B. größere Pflegedienste oder Krankenhäuser zur Ausbildung in eigener Sache ermächtigt werden: dies ist ein intransparentes Verfahren, sich im Prinzip mit dem Segen der Fachgesellschaft selbst zu testieren. Als Leistungsträger können sie ohne Einbindung einer neutralen Bildungsanbieters gewissermaßen die „eigene TÜV-Prüfung“ durchführen – da eine wirksame Kontrolle durch die Fachgesellschaft faktisch nicht existiert, entspricht dies dem Tatbestand der Gefälligkeitszertifikate und schadet nicht nur den Kursteilnehmern, die nicht ausreichend externen Lernstoff erhalten, sondern auch der Patienten- und Versorgungsicherheit.
- Werden Bildungsanbieter für den Seminarbetrieb mit den teilweise ohne fachinhaltlichen Bezug willkürlich erscheinenden Vertragsregeln zu unselbständigen Erfüllungsgehilfen der Fachgesellschaft. Sie vermarkten auf eigenes Risiko mit dem Zertifikat das Produkt eines Dritten. Dies führt zu einer permanenten Deprofessionalisierung der diesbezüglichen Bildungslandschaft. So etwas gibt es nirgends wo sonst im Bildungswesen!
Das vorgeschlagene System bestätigt eher die individualvertraglichen Ansprüche der Fachgesellschaften gegenüber den dadurch abhängigen „Bildungsanbietern“, aber es steht einer systematischen Professionalisierung des Weiterbildungssektors nach akademischen Ansprüchen und nach Kompetenzanforderungen des Berufsfeldes entgegen.
Dieser Status quo würde mit den u.a. in Absatz 10 des Konzepts beschriebenen Verfahrensregeln des neuen Curriculums weiter verfestigt, obwohl die bisherigen Zertifizierungsverträge bewiesen haben, dass sie nicht der behaupteten Qualitätssicherung für die Patientenversorgung entsprechen: Viele Zertifikate unterlaufen die Vorgaben der Bundesrahmenempfehlung. Auch das neue Curriculum suggeriert, dass die Fachgesellschaften Bildungsabteilungen hätten, die bislang nicht im Ansatz bestehen. Tatsächlich maßregeln die Verträge der privat kontrahierenden Zertifizierungsermächtigungen externe Bildungsanbieter kleinteilig mit dysfunktionalen Vorgaben - ein akademischer Ansatz für eine kompetenzorientierte Lehre und eine seriöse Qualitätssicherung sind dabei nicht erkennbar.
Die Zertifikatsausgabestellen dürften sich nicht als Patentinhaber eines Curriculums verstehen, die sogenannte „Bildungsanbieter“ für sich in einem rechtlich problematischen Dreiecksverhältnis zum Bildungskunden kontrollieren. Als Beleg kann gesehen werden, dass viele Zertifikate bei genauerer Prüfung nicht den Vorgaben der Bundesrahmenempfehlung entsprachen.
Als rechtlich nicht unproblematisch ist der kartellartige Zusammenschluss von Akteuren anzusehen, deren Zertifikate bislang vielfach nicht der Bundesrahmenempfehlung entsprachen, und die nun wieder über die fachinhaltliche Beratung hinaus auch Einfluss auf den Bildungssektor nehmen wollen. Dies mag ökonomisch motiviert sein, für die Akkreditierung der Bildungsinstitutionen bedarf es jedoch fachlich unabhängiger, ggf. staatlicher Strukturen. Ein professionelles Verständnis von seriöser Weiterbildung in der Fachpflege benötigt unabhängige akademische Strukturen, weshalb die berufliche Situation und Weiterbildung mit dem Ziel echter Fachpflege, die diesen Namen verdient, sich demnach nachhaltig nur verbessern kann, wenn endlich akademische Strukturen entwickelt werden. Dies sind auch unterhalb von Hochschulanforderungen im Bereich von EQR 4 – 6 möglich. Erforderlich wäre daher eine professionelle Entwicklung des Weiterbildungssektors mit unabhängig akkreditierten Weiterbildungs-Instituten.
Die eingangs erwähnte Bundesrahmenempfehlung, die derzeit den einzigen verlässlichen Qualitätsrahmen abbildet, kann diese Lücke nicht dauerhaft schließen: hier fehlt es letztlich an der Gesetzgebung für die Weiterbildung. Aber die Weiterentwicklung der Bundesrahmenempfehlung kann mit ihren ordnenden Vorgaben einen Meilenstein für den Weg dorthin setzen.
Akademische Professionalisierung der Weiterbildung
Kurse, die derzeit angeben, der Bundesrahmenempfehlung zu entsprechen, werden bislang nicht neutral qualitätsgesichert. Die aktuelle Entwicklung lässt vermuten, dass gegenwärtig Pseudo-Testate auf den Markt kommen, die die Erfüllung der Bundesrahmenempfehlung nur behaupten. Dies bedroht die seriöse Arbeit von professionell arbeitenden Akademien. Hier muss eine unabhängige Akkreditierung erfolgen – und zwar auf institutioneller Ebene mit akademischen Kriterien, wie sie für die Zulassung von Schulen und Hochschulen üblich sind. fachinhaltliche Ausgestaltung von Rahmenlehrplänen Für die im Bereich der Außerklinischen Intensivpflege berufszulassend wirkende Weiterbildung die professionelle Entwicklung eines akademischen Weiterbildungssystems mit wissenschaftlichen und institutionellen Kriterien für ein kompetenzorientiertes und auf Learning Outcome ausgerichtetes Weiterbildungsprogramm dringend notwendig. Für die substanzielle Verbesserung der Weiterbildung ist aber mehr akademisch-institutionelle Professionalität für eine kompetenzorientierte und auf den Learning Outcome ausgerichtete Selbständigkeit der Lehre erforderlich. Wissenschaftliche Kriterien für als Berufszulassung von Pflegekräften wirkende Weiterbildungen und für eine von Partikularinteressen abgelöste Anerkennung von Weiterbildung sind z.B.
- die professionelle Kompetenzorientierung der Lehrinhalte an den in der Berufsausübung tatsächlich zu beherrschenden Aufgaben – pflegewissenschaftlich, medizinisch, (patho-)physiologisch, berufsfeldnah handlungsorientiert nach Expertenstandards sowie für Softskills in Kommunikation, Psychologie, Organisation und Management. Hier können bestehende Fachgesellschaften ihr fachliches Know-how mit curricularen Empfehlungen einbringen, wobei die Einigung auf einen bundesweit einheitlichen Lehrkanon / Rahmen-Lehrplan wünschenswert ist.
- Systemisch eine zwingende Trennung von inhaltlich-fachlicher Beratung einerseits und institutioneller Anerkennung. Ablösung des bisherigen „Franchise-Geschäftsmodells“, einer Zertifizierung von Bildungsanbietern, die im Auftrag von Berufsverbänden / Fachgesellschaften Schulungstermine durchführen, die dann ohne didaktische Einzelfallkenntnis kostenpflichtig durch diese doppelt testiert werden. Professionelle Fachpflege braucht aber unabhängige akademische Strukturen!
- Die Professionalisierung des entsprechenden Lehrbetriebs mit Definition von institutionellen Mindestanforderungen, personellen Standards, akademischen Qualitätssicherungsstrukturen, wie dies für Akademien und Hochschulen in anderen Bereichen längst üblich ist. Dermaßen nach staatlicher Zulassung und akademischer Learning Outcome-Orientierung arbeitende Bildungsakademien müssen dann auch gegenüber den Teilnehmern befugt sein, Zeugnisse auszustellen. Berufsverbände und Spezial-Fachgesellschaften mit ihren spezifischen Ausrichtungen können diese in den Bildungssektor hineinreichende Aufgabe aus verschiedenen Gründen nicht wahrnehmen.
- Eine übergeordnete Institution – im Hochschulsektor sind dies der Wissenschaftsrat mit Zuarbeit von zertifizierten Akkreditierungsagenturen – zu einer unabhängigen oder staatlich anerkannten strukturellen Zulassung von Weiterbildungsinstituten kann eine Lösung aus den derzeit dysfunktionalen Strukturen der von partikularinteressen getriebenen Weiterbildung von Pflegekräften sein. Unverzichtbar ist dabei die Differenzierung zwischen der fachlichen Beratung für die inhaltliche Entwicklung von Rahmenlehrplänen, die in Zusammenarbeit mit spezialisierten Fachgesellschaften geleistet wird und andererseits der selbständigen, akademisch institutionalisierten Ausübung der Lehre gemäß einem an den Lernzielen orientierten akademischen Bildungsauftrag.
- Akkreditierung z.B. durch Akkreditierungsagenturen wie bei Weiterbildungsinstituten von Hochschulen (mit angepasstem institutionellem Rahmen und EQR-Level) und/oder Zulassung etwa durch das Bundesamt für Soziales, das sich ebensolcher wissenschaftlicher Kriterien bedienen kann. Hierzu müssen keine neuen Strukturen geschaffen, sondern bewährte Vorbilder sachgerecht eingesetzt werden. Akademien und Bildungs-Institute, welche dafür die erforderliche selbständige Leistungsfähigkeit besitzen, weisen ihre Qualität mit einer Anerkennung durch eine unabhängige Instanz / Akkreditierung nach, die zur Verhinderung von wirtschaftlichen und monopolistischen Einzelinteressen keinesfalls bei den wirtschaftlich befangenen Vereinen/Verbänden liegen kann.
Vergleichbar dem Pflegeberufegesetz, das nun die generalistische Grundausbildung regelt, ist auch eine Weiterbildungsordnung wünschenswert, die für Pflegeberufe eine strukturelle Arbeitsbasis für die Verwirklichung wirklicher kompetenzorientierte Bildungsarbeit auch unterhalb von Hochschulniveau ermöglicht. Zumindest wäre eine nach einem Musterlehrplan arbeitende unabhängige und professionell institutionalisierte Akademielandschaft ein richtiger Schritt in eine nachhaltige, dem Berufsbild und der Patientenversorgung qualitätsbringende Richtung.
Beide Forderungen – fachinhaltliche Weiterentwicklung der Lehrinhalte durch die spezialisierten Fachgesellschaften und qualitätsorientierte Professionalisierung einer selbständigen Akademielandschaft für die Weiterbildung – sind prinzipiell vereinbar und konzeptionell unschwer integrieren.
Die Beratungen zur Novellierung der Bundesrahmenempfehlung HKP bieten aktuell die Chance für einen Meilenstein in Richtung einer nachhaltig qualitätssichernden und bildungspolitisch anschlussfähigen Struktur zur Durchführung des Weiterbildungswesens. Dies sollte durch eine sachliche und nach wissenschaftlichen Kriterien ausgerichtete offene Diskussion genutzt werden.
Zu diesem qualifizierenden Dialog regen wir an und laden wir alle in der Sache engagierten Akteure zum kritisch-konstruktiven Diskurs herzlich ein. Mit wissenschaftlich-didaktischer Expertise bietet die IGBP ihre beratende Unterstützung für eine nachhaltig kompetenz- und qualitätsorientierte Entwicklung nachhaltig qualitätsorientierter Curricula und Akkreditierungsstrukturen im Rahmen der Beratungen zur Bundesrahmenempfehlung und zum IPReG an.