Fachzeitschrift beatmet leben 2'2022.
Von A wie Anerkennung durch die Kassen bis Z wie Zertifizierung – die Hürden zur Fachweiterbildung sind hoch; der Weg ist oft lang. Worauf Arbeitgeber und -nehmer achten müssen.
Da der Gesetzgeber bei seinen Regelungen für die Weiterbildungsanforderungen an Leistungserbringer und deren Pflegefachkräfte in der außerklinischen Intensivpflege lange unkonkret blieb, boten in der Vergangenheit verschiedene Fachgesellschaften angesichts steigender Anforderungen an die Patientenversorgung ihre Unterstützung mit Qualitätsempfehlungen und der Zertifizierung von Weiterbildungen an. Dies führte zu einer unübersichtlichen Vielfalt an Weiterbildungsangeboten. Um schließlich eine bundeseinheitliche, kostenträgerübergreifende Patientenversorgung zu erreichen, wurde 2019 die Bundesrahmenempfehlung HKP um § 4 ergänzt. Dieser stellt teilweise erstmals Regelungen für bundeseinheitliche Weiterbildungsvorgaben im Bereich der außerklinischen Intensivpflege auf. Dabei wurde den Krankenkassen als Kostenträger aufgegeben, bis Ende 2020 die mit den Leistungserbringern bestehenden Zulassungsverträge für das jeweilige Bundesland nach § 132a Abs. 4 SGB V gemäß den Regelungen des § 4 zu ergänzen.
Verbindliche Vorgaben
Dabei besteht Einigkeit, dass Weiterbildungen zur entscheidenden Qualitäts- und Sicherheitsvorsorge von Leistungserbringen gehören und dass diese verbindlichen Vorgaben hinsichtlich Stundenumfang, Inhalten, Präsenzanteil in der Theorie, Praxisphasen entsprechen müssen, um künftig von den Krankenkassen anerkannt werden zu können. Die bisherigen Zertifizierungen durch Fachgesellschaften sind nicht mehr vorgesehen. Anerkennungsfähig für MD-Prüfungen sind demnach nur noch Weiterbildungen, die den Vorgaben der Bundesrahmenempfehlung entsprechen. Weitere Richtlinien werden bis 2023 erwartet. Für Leistungserbringer, die den Vorgaben noch nicht entsprachen, konnten Übergangsregelungen zur Anpassung an die Rahmenempfehlungen in einem Zeitraum von bis zu vier Jahren nach Einführung des § 4 vereinbart werden. Für Leistungserbringer, die erstmals eine Zulassung zu den Rahmenverträgen beantragen, sind die Anforderungen der Rahmenempfehlung aber unmittelbar sicherzustellen. Überwiegend sind die Bedingungen der Bundesrahmenempfehlung inzwischen Grundlage von Vergütungs- und Ergänzungsverträgen zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern. In der Praxis zeigt sich die flächendeckende Angleichung der allgemeingültigen und von den Einzelversorgungen unabhängigen Vereinbarungen aber zu Lasten der Leistungserbringer und mithin auch der Qualität der Patientenversorgungen noch lückenhaft. Die Frage, welche Art der Fort- und Weiterbildung ein Leistungserbringer von seinen Pflegefachkräften erwarten kann oder welche diese zur Aufrechterhaltung ihrer beruflichen Qualifikation zu absolvieren haben, hängt von den inhaltlichen und formalen Vorgaben in den mit den Kostenträgern geschlossenen Verträgen ab: Wenn bislang der geschlossene Versorgungsvertrag zum Beispiel die Zulassung des Bildungsträgers durch eine konkret namentlich benannte Fachgesellschaft verlangt, so ist eine angebotene Weiterbildung für den Leistungserbringer nur dann geeignet, wenn der jeweilige Bildungsträger über diese spezielle Bestätigung verfügt. Mit zunehmender Verankerung der Vorgaben der Bundesrahmenempfehlung genügt dies nicht mehr und die Praxis zeigt, dass bis 2020 übliche Zertifikate von Fachgesellschaften teilweise nicht mehr akzeptiert wurden, beziehungsweise nur noch Übergangsduldung fanden. Zur Absicherung ist also bei der Auswahl des Bildungsanbieters darauf zu achten, dass diese die Erfüllung der Vorgaben der Bundesrahmenempfehlung gewährleisten können – hilfreich für MD-Prüfungen ist eine Anerkennung des Curriculums durch Kostenträger wie bei der BaWiG zum Beispiel durch die vdek-Kassen sowie AOK-Landesverbände.
Große Haftungsrisiken
Bei Abweichungen sind die Haftungsrisiken nämlich erheblich: Stellt der MD in Prüfungen fest, dass die durchgeführten Weiterbildungen inhaltlich nicht dem vereinbarten Umfang etwa gemäß der Bundesrahmenempfehlung entsprechen, könnten Leistungen, an denen diese Pflegefachkräfte beteiligt waren, von den Kostenträgern in Gänze als nicht vertragsgemäß zurückgewiesen und eine Vergütung verweigert oder bereits geleistete Zahlungen zurückgefordert werden. Zumindest ist Druck auf das Verhandlungsmanagement im Hinblick auf die Durchsetzung von künftigen Leistungskürzungen zu erwarten. Solche Prüfungen können bis zu vier Jahre später erfolgen und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unterstützt die Kostenträger, indem es eine strenge Betrachtung anlegt und nichtvertragsgemäße Leistungen als Nichtleistung wertet. Das bedeutet für Leistungserbringer: Zur Vermeidung eines Regresses sollten daher Vertragsinhalte auch in Bezug auf Fort- und Weiterbildungsregelungen in regelmäßigen Abständen auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft werden. Insbesondere, wenn bereits Vereinbarungen zur Umsetzung der Rahmenempfehlung nach § 132a SGB V bestehen, deren Einhaltung, aus welchen Gründen auch immer, bisher nicht beachtet wurden, besteht Gefahr von Beanstandungen und Regressforderungen durch Kostenträger. Bei der Wahl des Bildungsanbieters ist daher dringend zu beachten, dass dessen Weiterbildungen die Kriterien der Rahmenempfehlung verbindlich erfüllen:
- Thematische Vorgaben mit zusätzlichen qualifizierenden Inhalten,
- Lehrgangsnachweise mit definiertem Umfang von Theorie-Schulung inklusive definierten Anteilen von Präsenz- und Online-Lehre, außerklinischem Praktikum, klinischem Praktikum,
- Ausweis der geforderten Weiterbildungs-Stunden auch auf dem Zertifikat.
Unsicherheit Onlinekurs
Unsicherheit entsteht immer wieder dadurch, dass Fachgesellschaften oder Bildungsanbieter vollständige Online-Kurse propagieren; dies genügt nicht den Vorgaben der Rahmenempfehlung, nach der sowohl für die Weiterbildungen zur „Pflegefachkraft für (pädiatrische) außerklinische Beatmung“ also auch zum „Pflegeexperten für (pädiatrische) außerklinische Beatmung“ die Absolvierung von 40 beziehungsweise 140 Zeitstunden an Theorie voraussetzen, die zu 50 Prozent in Präsenz zu erbringen sind. Unter Präsenz wird die körperliche Anwesenheit aller Teilnehmer am Seminarort verstanden, die nicht durch digitale Veranstaltungen, auch bei Personalisierung der Teilnehmer, ersetzt werden kann. Dem muss der Bildungsanbieter organisatorisch Rechnung tragen, weshalb unter anderem der BaWiG-Lehrplan unterteilt, ist in Web-Seminare zur effizienten Vermittlung von theoretischem Grundlagenwissen und in Präsenz in den hygienegesicherten Seminarzentren für die effektive Übung von praktischen Kompetenzen. Auch der Umstand, dass aufgrund der Pandemie zeitweise keine Präsenzveranstaltungen stattfinden konnten, rechtfertigt entgegen anderslautenden Werbeaussagen von Fachgesellschaften oder Anbietern keine Abweichung, so dass nicht den Vorgaben der Rahmenempfehlung entsprechende Fortbildungen von den Kostenträgern als nicht vertragskonform beanstandet werden könnten. Gleiches gilt für den Fall, dass Fortbildungsinhalte nicht in dem vorgegebenen Umfang vermittelt oder Praxisteile ausgelassen wurden. Wenn zum Beispiel die klinischen Praktika bedingt durch die Pandemie vorübergehend nicht möglich sind, kann eine Fristverlängerung für die Erbringung vereinbart werden. Dazu sollten aber im Vorhinein mit den Kostenträgern abweichende Regelungen festgelegt werden: Einem vernünftig begründeten Vertragsanpassungsverlangen widersetzen sich die Kostenträger erfahrungsgemäß nicht. Schließlich müssen Bildungsanbieter gewährleisten, dass in ihren Zertifikaten die vermittelten Inhalte auch ihrem zeitlichen Umfang nach testiert werden, damit diese gegenüber den Kostenträgern auch nachgewiesen werden können. Allein eine Akkreditierung der Fortbildung durch eine Fachgesellschaft reicht nach den Vorgaben der Rahmenempfehlung nicht! Es bedarf der Anerkennung der Fortbildung durch den Kostenträger. Aus Sicht der Leistungserbringer und Pflegefachkräfte sollte sich die Entscheidung für eine Weiterbildung daran orientieren, ob deren Form und Inhalte mindestens den Vorgaben der Rahmenempfehlung entsprechen und ihnen hierüber auch ein qualifiziertes Fortbildungszeugnis ausgestellt wird. Sofern notwendige Praktika nicht unmittelbar abgeleistet werden können, zum Beispiel, weil die Pandemie ein klinisches Praktikum nicht zulässt, ist sicherzustellen, dass dieses nachgeholt werden kann.