Der Wissenschaftsrat (WR) hat seine lang erwarteten Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe vorgestellt. Auf knapp 160 Seiten listet das Gremium auf, wie die wissenschaftliche Qualifizierung in den Gesundheitsfachberufen zu verbessern ist und wie diese Berufe zugleich an Attraktivität gewinnen können.

Wissenschaft und Forschung der Gesundheitsfachberufe ausbauen

Kernforderung des WR ist dabei der Ausbau der akademischen Pflege. Insgesamt seien

  • die wissenschaftlichen Disziplinen hinter den Gesundheitsfachberufen zu stärken,
  • Zentren für Forschung, Lehre und Versorgungssteuerung einzurichten, die vorhandene Expertise zusammenführen und stärken,
  • Gesundheitsfachberufe stärker institutionell an den Universitäten zu verankern,
  • mehr primärqualifizierend-duale Studiengänge anzubieten,
  • neue Karrierewege in der Pflege zu definieren.

Potenzial akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen nutzen

Der WR hält an seiner Akademisierungsquote von 20 Prozent fest, die er bereits 2012 gefordert hatte, und drängt auf umgehende Maßnahmen.

In der Pflege liege die Quote aktuell nur bei 2,5 Prozent, erläuterte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe" von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Anja-Katrin Boßerhoff, während der Pressekonferenz. Ein "Weiter-so" stehe nicht mehr zur Option, sondern nötig seien "wirkliche Veränderungen". Das Potenzial akademisch ausgebildeter Pflegefachpersonen sei besser zu nutzen. Dabei sei der Übergang in die Berufspraxis erfolgreich zu gestalten. Wichtig sei dafür, berufliche Zielpositionen für hochschulisch qualifizierte Gesundheitsfachpersonen mit Bachelor-, Master- und Promotionsabschluss zu entwickeln und entsprechende Karrierewege in Versorgung und Wissenschaft aufzuzeigen.

Die Zeit drängt

WR-Vorsitzender Wolfgang Wick betonte, wie dringend die Empfehlungen nun umzusetzen seien:

"Wenn wir unsere Gesundheitsversorgung auf dem heutigen Niveau halten und möglichst verbessern wollen, brauchen wir attraktive Gesundheitsfachberufe mit einer größeren Autonomie und Entscheidungskompetenz, wie es in vielen Ländern außerhalb Deutschlands bereits üblich ist. Um die dringend benötigten hochschulisch qualifizierten Kräfte auszubilden, müssen sich die dahinterstehenden wissenschaftlichen Disziplinen weiterentwickeln. Dafür müssen entsprechende Voraussetzungen rasch geschaffen werden."

Die Gesundheitsfachberufe stellten mit rund 2,3 Millionen Beschäftigten mehr als ein Drittel aller Beschäftigten im Gesundheitssystem. Die Empfehlungen des WR seien daher besonders dringlich. Sie sprächen die Hochschulen sowie die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Länderebene genauso an wie Krankenhäuser, Pflege-, Rehabilitationseinrichtungen und die Sozialversicherungsträger.

Die Empfehlungen des WR basieren auf einer umfangreichen Studie mit quantitativen und qualitativen Erhebungen. Nach zehn Jahren will der Wissenschaftsrat erneut den Umsetzungsstand seiner Empfehlungen prüfen und gegebenenfalls nachjustieren.  

Stärkere Akademisierung ist auch für Praxis nötig

Auch die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Prof. Christel Bienstein hat entschiedene Maßnahmen zur Sicherung der Gesundheitsversorgung gefordert. Die Pflegekrise sei bereits Realität in allen pflegerischen Bereichen, sagte Bienstein. „Um die Versorgung zu sichern, müssen wir sie neu denken und zwar mit mehr hochschulisch ausgebildeten Pflegefachpersonen. Investitionen in Pflegebildung sind ein Muss auf diesem Weg.“

Investitionen in Pflegebildung und vor allem den Ausbau der Pflegestudiengänge seien auch notwendig, um dem Personalmangel wirksam entgegenzutreten: „Es ist unwahrscheinlich, dass die Attraktivität der Pflegeberufe ohne eine stärkere Akademisierung deutlich verbessert wird. In den Nachbarländern mit mehr akademisch ausgebildeten Pflegefachpersonen findet eine deutlich stärkere interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe statt. Das macht den Beruf auch für Interessierte mit Hochschulzugangsberichtigung attraktiver.“

In der Primärversorgung sollen künftig auf Masterniveau ausgebildete Community Health Nurses nötig sein: für nachhaltige Prävention, für die Begleitung pflegender Familien und zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung vor allem im ländlichen Raum. Dafür müssten die Studiengänge ausgebaut und gefördert werden.

Entscheidend ist dazu aber, dass die entwickelteren Kompetenzniveaus auch in den konsequent in der Berufspraxis mit Definition von passenden Stellenbeschreibungen und Verantwortungszuweisung festgeschrieben werden. Die bisher unzureichende Kompetenzzuschreibung ist einer der Gründe, weshalb Pflegekräfte bislang oft kein Studium anstreben oder akademisierte Pflegekräfte ihr eigentliches Berufsfeld zugunsten von wissenschaftlich qualifizierteren Aufgaben verlassen.